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Wanderverhalten einheimischer Fledermäuse
Tiere kennen keine Grenzen - wie Vögel, Insekten (Schmetterlinge)
und Amphibien verlassen die heimischen Fledermausarten im Herbst ihre
Sommerlebensräume und ziehen oft über Ländergrenzen
hinweg zu den Winterlebensräumen und im Frühjahr umgekehrt.
Kenntnisse über saisonale Wanderungen der Fledermäuse sind
wichtig für die Umsetzung internationaler Schutzabkommen, wie
EUROBATS.
Gründe für die saisonalen Wanderungen der Fledermäuse
- Abendsegler wandern 1000 km und mehr
Foto: Mechtild Höller
Tageslethargie und Winterschlaf ermöglichen den Fledermäusen
mit ihrer Energie sparsam umzugehen. Wanderungen in günstigere
Biotope haben den gleichen Zweck. Beringungsversuche belegen
jahreszeitlich bedingte Wanderungen bis zu mehreren 100 km. Die
wichtigsten Gründe für die Wanderungen sind:
- jahreszeitlich bedingter Nahrungsmangel
- fehlende Winterquartiere.
Zugrichtung und Zugorientierung
Die Herbstzüge führen, vereinfacht gesagt, von Ost- und
Nordeuropa Richtung Süddeutschland, Balkanstaaten, Türkei,
West- und Südfrankreich. Frühjahrszüge verlaufen in die
entgegengesetzte Richtung, z. B. in die kurzen, insektenreichen Sommer
in Skandinavien und Rußland.
Durch Verfrachtungsversuche mit Myotisarten konnte gezeigt werden,
daß die Tiere über Distanzen von 300 - 700 km in ihre
Heimatbiotope zurück finden (NEUWEILER 1993). Über die
Mechanismen der Zugorientierung ist wenig bekannt. Orientierungshilfen
können Landmarken wie Flusstäler oder Küstenränder,
Sterne, Geruchsstoffe, Winde in Gebirgstälern, Erdmagnetfelder
sein. Nicht bekannt ist, wie die Orientierungsmarken wahrgenommen
werden.
Räumlicher Bezug zwischen Sommer- und Winterquartieren
Die Entfernung zwischen den Sommer- und Winterquartieren hängt von
der Wanderneigung und Wanderfähigkeit der jeweiligen Art ab (BLAB
1980). Danach unterscheidet man zwischen:
- Kurzstreckenwanderern oder ortstreuen Arten, die Sommer- und
Winterquartier liegen wenige Kilometer voneinander entfernt:
Zwergfledermäuse, Hufeisennasen, Langohren und
Wimpernfledermäuse.
- Mittelstreckenwanderern mit Wanderstrecken zwischen 30 und 300
km: Breitflügel-, Teich-, Wasserfledermaus und die Langohren.
- Fernwanderern, die 1000 km und mehr zurücklegen: Große
und Kleine Abendsegler, Langflügel-, Zweifarb-, Nord-, Alpen- und
Rauhhautfledermäuse.
Heute geht man heute davon aus, dass nur Teilpopulationen der jeweiligen Art wandern.
Fledermauswanderungen am Beispiel der Rauhhautfledermaus
Die Rauhhautfledermaus (Pipistrellus nathusii) ist eng
verwandt mit der Zwergfledermaus, ist ungefähr 58 mm (Kopfrumpf)
lang, hat einen Flügelspann von etwa 250 mm, ihr Gewicht liegt
zwischen 6 und 15 g. Sie ist in Frankreich, östl. Mittelmeer,
Mitteleuropa, Baltikum, Südschweden, Zentralrußland
verbreitet (SCHOBER & GRIMMBERGER 1998). Saisonale Wanderungen sind
durch Beringungen belegt. Die Tiere pendeln zwischen Wochenstuben in
NO-Deutschland, Südschweden, Südbaltikum, und
südlich/südwestlich gelegenen Winterquartieren bis in die
Bretagne und Rhonemündung, durchziehen Südwestdeutschland und
die Nordostschweiz.
Rauhhautfledermäuse in Ostdeutschland
Untersuchungen von Axel Schmidt (1998) in Ostbrandenburg zeigen, dass
die Rauhhautfledermäuse in Kiefernforsten häufiger vorkommen
als in Eichenforsten.
Ab April/Mai kehren die Tiere in ihre Sommerquartiere in Ostbrandenburg
zurück. In der Niederlausitz liegen Paarungsgebiete und
Durchzugsgebiete der Art, entsprechend zeigen die Vorkommen der
Weibchen zwei Peaks im Sommerhalbjahr. Der erste Peak liegt im
April/Mai, der zweite im August/September. Ab Oktober sind die
Rauhhautfledermäuse in beiden Gebieten, Ostbrandenburg und
Niederlausitz, nicht mehr nachweisbar (Schmidt 1998).
Überwinterung der Art ist für Frankreich, das oberes
Rheintal, Süddeutschland, die Schweiz sowie für
Wärmeinseln wie Berlin belegt.
Paarungs- und Durchzugsgebiete der Rauhhautfledermäuse am Bodensee
Die Paarungsgebiete in Süddeutschland (Bodensee) und in der
Schweiz liegen ca. 1000 km von den Wochenstuben in Ostdeutschland
entfernt und gelten als Durchzugsgebiete der Rauhhautfledermäuse
auf ihrer Wanderung in die Winterquartiere in Süddeutschland und
der Schweiz.
Die Paarungsgebiete am Bodensee werden von Wolfgang Fiedler mit der AG
Fledermausschutz in Konstanz auf jagende und balzende
Rauhhautmännchen mit Detektoren untersucht. Die AG kontrolliert
außerdem ein Fledermaus-Kastengebiete auf der Insel Reichenau
(seit 1990) und eins auf der Halbinsel Mettnau (seit 1983). Beide
Kastengruppen sind im Herbst bis zu 90 % mit Harems der
Rauhhautfledermäuse belegt. Als Harems gelten Gruppen von einem
Männchen mit geschwollenen Nebenhoden und 1 bis >10 Weibchen.
Die Untersuchungen der Rauhhautfledermäuse in den beiden Kastengebieten zeigen:
- Die Flügelspitzen der weiblichen Rauhhautfledermäuse sind stärker ausgebildet als die der männlichen.
- Das Auftreten der "Rauhhäute" in der Bodenseeregion zeigt im
Jahresverlauf zwei Gipfel, der erste liegt Anfang April (Zug in die
Sommerlebensräume), der zweite im September (Herbstzug in die
Winterquartiere).
Schlussfolgerungen
Ab Mitte September verlassen die Rauhhautmännchen die
Paarungsreviere in Ostbrandenburg (SCHMIDT 1998). Sie können
frühestens Anfang/Mitte Oktober das Gebiet um den Bodensee
erreichen. In der Bodenseeregion erscheinen aber schon ab Mitte August
die ersten Männchen. Die Paarungsaktivität erreicht ihren
Höhepunkt zwischen 2. September- und ersten Oktoberhälfte.
Diese Männchen im Bodenseegebiet können nicht identisch mit
den Männchen in Ostbrandenburg sein, die ja erst ab Anfang Oktober
zu erwarten sind. Daraus schließt Fiedler (1998), dass die
Rauhhautmännchen bei der Paarung zwei Strategien verfolgen:
- Eine Männchengruppe passt paarungsbereite Weibchen in Wochenstubengebieten und Durchzugsgebieten in Ostdeutschland ab,
- die zweite Gruppe erwartet die Weibchen in den Durchzugsgebieten
am Bodensee nahe bei den Winterquartieren in Süddeutschland und
der Schweiz.
Für die zweite Männchen Gruppe ist nicht bekannt, woher sie
stammt. Fiedler nimmt an, dass diese Männchen die Sommer in der
näheren Umgebung verbringen. Im Bodenseegebiet kommen demnach
stärker ausgeprägt ziehende Weibchen und schwächer
ausgeprägt ziehende Männchen vor. Dafür sprechen die
stärker ausgebildeten Flügelspitze der Rauhhautweibchen im
Vergleich zu denen der Männchen. Bei ziehenden Vögeln sind
die Flügelspitzen ebenfalls stärker ausgebildet.
Das milde Bodenseeklima bietet ausreichend Futterinsekten und damit
gute Voraussetzungen für die Balzzeit der "Rauhhäute" und
Besetzung der Paarungsquartiere bis in die letzten Oktobertage.
Rauhhautfledermäuse durchwandern im April/Mai das Rheinland in
nordöstlicher Richtung, im September umgekehrt und werden zu
diesen Jahreszeiten regelmäßig in Leverkusen nachgewiesen.
Literatur:
BLAB, J. (1981): Grundlagen für ein Fledermaus-Hilfsprogramm, Themen der Zeit, Kilda Verlag
FIEDLER, W. (1998): Paaren - Pennen - Pendelzug: Die Rauhhautfledermaus
(Pipistrellus pipistrellus) am Bodensee, Nyctalus (N. F.) Band 6;
S.517-522
NEUWEILER, G. (1993): Biologie der Fledermäuse, Thieme Verlag
BOYE, P., DIETZ, M. & WEBER, M. (1999): Fledermäuse und Fledermausschutz in Deutschland, BfN
SCHMIDT, A. (1998): Zur Fledermausfauna ostbrandenburgischer Kiefernforste, Nyctalus (N. F.) Band 6; S. 450-455
SCHOBER, W. & GRIMMBERGER, E. (1998): Die Fledermäuse Europas, Kosmos Naturführer
Dipl. Biol. Mechtild Höller